Vergebung – und Sehnsucht

Gestern hatten wir im Hauskreis das Thema Vergebung. Uff. Das hat einiges in mir hochgewühlt – vor allem die Tatsache, dass ich vielen Menschen gar nicht böse bin, weil ich denke, sie haben es doch versucht, so gut es ging (meine Eltern), oder man kann es ihnen doch nicht verübeln, es lag an mir (Gleichaltrige). In der Klinik musste Herr A. erstmal eine ganze Weile „graben“, bis ich mir selbst überhaupt zugestanden habe zu sehen, dass ich verletzt wurde. „Keine Vergebung ohne Anklage“, habe ich dort gelernt. Ein interessanter Gedanke, finde ich. Und ich denke, Vergebung ist ein zentrales Thema – und ist meines Wissens mittlerweile auch in Kliniken, die nicht wie meine explizit auf christlicher Basis arbeiten, wichtig.
Ein Stück weit hatte ich das ganze Thema wohl wieder verdrängt und seit gestern Abend ist es wieder an die Oberfläche gekommen. Also wundert euch nicht, wenn zu dem Thema demnächst noch was kommt…

Aber es hatte auch noch eine andere Auswirkung – Hirn hat das Stichwort „Vergebung“ gehört und gleich waren die Gedanken wieder in der Klinik. Ich habe gerade solche Sehnsucht nach der Zeit dort.
Nach dem Aufgefangen-Werden.
Nach meinem Bezugstherapeuten Herrn A., durch dessen Hilfe ich das erste Mal richtig an mich rangekommen bin.
Nach unserer Ergotherapeutin, die in ihrer nüchternen Art genau richtig für mich war.
Nach den beiden tollen Physiotherapeutinnen.
Nach den drei Schwestern, mit denen ich diverse Gespräche hatte:
Schwester 1, die eine wunderbare Gabe hatte, mir beim Gedanken sortieren zu helfen.
Schwester 2, mit der man so toll lachen konnte.
Schwester 3, die so toll trösten konnte.
Nach der tollen Therapeutin, mit der ich leider nur vereinzelt zu tun hatte, die aber mit jeder Aussage voll ins Schwarze getroffen hat.
Nach allen anderen tollen Mitarbeitern.
Und nach den anderen Patienten.
Nach meiner tollen Bezugsgruppe, wo ich so liebe und wertvolle Menschen kennengelernt habe.
Nach Thea.
Nach Rena, mit der ich im Zimmer war.
Nach der Atmosphäre dort, raus aus dem Alltag, in einem geschützten Raum.

Auch wenn Klinikalltag auch Herausforderungen und schwierige Geschichten beinhaltet.

Über gedankenkarrussel

zwischen 25 und 35, Christ, naturwissenschaftlich interessiert, Aspergerautistin im Kampf mit der Müdigkeit... (darüber schreibe ich mehr in meinem Blog https://gedankenkarrussel.wordpress.com/ )
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7 Antworten zu Vergebung – und Sehnsucht

  1. fire walk with me schreibt:

    Vergebung ist auf jeden Fall wichtig, anders kann man mit Vergangenem nicht abschliessen. Aber meiner Erfahrung nach muss man, bevor man vergeben kann, erstmal all die negativen Gefühle, die Wut und Enttäuschung zulassen. Ohne dieses Zulassen kann es keine Vergebung geben und ohne Vergebung keine Ruhe.

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    • gedankenkarrussel schreibt:

      Ich weiß halt einfach nicht, ob ich überhaupt Wut empfinde… ich bin so da drin, die anderen zu rechtfertigen, dass ich zwar weiß, dass ich verletzt wurde, aber mehr auch nicht. Allerdings tue ich mich ja ohnehin recht schwer damit, meine Gefühle zu finden…

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      • fire walk with me schreibt:

        Ich wusste auch ewig nicht, dass so etwas wie Wut in mir steckt. Ich habe sie lange unterdrückt oder eben gegen mich selbst gerichtet. Aber diese unterdrückte Wut hat mich innerlich aufgefressen, ohne dass ich es gemerkt habe. Jetzt, wo sie fort ist, fühlt es sich an, als sei eine riesige Last von mir abgefallen. Ich kann das gar nicht beschreiben, aber ich fühle mich wie befreit.
        Vielleicht geht’s dir ja so ähnlich…

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      • gedankenkarrussel schreibt:

        Keine Ahnung… selbst wenn ich versuche, was zu empfinden, empfinde ich nichts. Zumal Hirn dann ja auch sofort einwendet, dass ich doch gar kein Recht zum wütend sein hab… mal sehen, wie sich das entwickelt.

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